Unglück in der Mittagspause

Unglück in der Mittagspause

(kunid) Eine Beschäftigte hatte ihre Mittagspause auf dem Parkplatz eines Supermarktes verbracht und erlitt danach einen Autounfall. Die Allgemeine Unfallversicherungs-Anstalt (AUVA) lehnte die im Rahmen der gesetzlichen Unfallversicherung beantragte Versehrtenrente ab. Zentrales Argument: Sie hatte keinen Pausenort in der Nähe der Arbeitsstätte gewählt. Die Gerichte entschieden zugunsten der AUVA mit der Begründung, die Verrichtung „lebensnotwendiger Bedürfnisse“ sei, was den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung betrifft, nicht an jedem dem Beschäftigten genehmen Ort möglich.

Eine Frau hatte als Reinigungskraft bei verschiedenen Kunden ihres Dienstgebers Reinigungsarbeiten zu erbringen. Es gab strikte zeitliche Vorgaben des Dienstgebers für die Erbringung der Reinigungsarbeiten, die sie nicht selbst einteilen konnte. Normalerweise fuhr sie dazu am Morgen mit dem Privatauto zum Standort ihres Dienstgebers in Innsbruck.

Dort übernahm sie ein Firmenfahrzeug mit den Reinigungsutensilien und die Schlüssel für die am Vormittag zu reinigenden Objekte. Nach Erledigung der Reinigungsarbeiten musste sie zu Mittag zur Firma zurückkehren. Sie gab die Schlüssel für die gereinigten Objekte ab und übernahm die Schlüssel für die Objekte, die am Nachmittag anstanden. Die Mittagspause konnte sie am Firmenstandort in einem Aufenthaltsraum verbringen.

Für die Mittagspause zum Supermarkt

Auch an dem Tag, an dem der Unfall passierte, fuhr sie mittags zum Firmenstandort zurück und übernahm die Schlüssel für die später zu reinigenden Objekte. Allerdings fuhr sie an diesem Tag, wie auch schon öfters, in der Mittagspause mit ihrem Pkw zu einem zwölf Kilometer entfernten Supermarkt.

Um laut Firmenvorgaben zur Fortsetzung ihrer Arbeit nach der Mittagspause zurückkehren, um das Dienstauto für die weiteren Reinigungsarbeiten zu übernehmen, wollte sie zum Firmenstandort zurückfahren. Dabei kam es zu einem Unfall. Durch den Unfall wurde sie so schwer verletzt, dass sie drei Monate nach dem Unfall immer noch eingeschränkt erwerbsfähig war.

In der Folge stellte sich die Frage, ob es sich um einen Arbeitsunfall handelt, für den die gesetzliche Unfallversicherung aufzukommen und Versehrtenrente zu leisten hat. Die Allgemeine Unfallversicherungs-Anstalt (AUVA) verneinte das. Die Verunfallte wollte diese Entscheidung nicht akzeptieren und zog vor Gericht.

Kein Arbeits- und kein Wegunfall

Sowohl das Erstgericht wie auch das danach hinzugezogene Berufungsgericht urteilte zugunsten der AUVA. Nach Ansicht der Richter handle es sich weder um einen Arbeitsunfall, da die Frau keinen Betriebsweg oder Arbeitsweg zurückgelegt habe, noch um einen Wegunfall, da das Tatbestandsmerkmal „in der Nähe ihrer Arbeitsstätte“ nicht erfüllt sei. Das Gericht führte unter anderem an, dass der Unfallort mehr als zwölf Kilometer von der Betriebsstätte entfernt gelegen sei.

Die gesetzliche Unfallversicherung schütze grundsätzlich nur notwendige und direkte – im Sinn der streckenmäßig beziehungsweise zeitlich kürzesten – Wege. Die Verunfallte habe daher in ihrer Mittagspause eine eigenwirtschaftliche Tätigkeit verrichtet, der Schutz der Unfallversicherung greife hier nicht.

Die Frau war jedoch der Ansicht, dass in ihrem Fall der Großraum Innsbruck als „Arbeitsstätte“ zu werten sei, weil sie nach dem wöchentlichen Arbeitsplan an diesen Orten die Reinigungsarbeiten habe erledigen müssen.

Revision an den Obersten Gerichtshof

Letztlich ging der Fall zum Obersten Gerichtshof (OGH). Doch wie schon das Berufungsgericht betrachtete der OGH den „Großraum Innsbruck“ in seinem Urteil (10ObS169/12v) nicht als Arbeitsstätte. Eine Arbeitsstätte bezeichne „den Ort der tatsächlichen Aufnahme der versicherten Tätigkeit, wenn die Arbeitsstätte Endpunkt des versicherten Weges ist, und den Ort, an dem sich der Versicherte aufgrund der Erbringung der versicherten Tätigkeit aufhält, wenn die Arbeitsstätte Ausgangspunkt des versicherten Weges ist“.

Die Arbeitsstätte im Fall der verunfallten Beschäftigten war laut OGH der Unternehmensort ihres Dienstgebers, „weil sie dort das Firmenfahrzeug zurückzustellen und zur Aufnahme der versicherten Tätigkeit nach der Mittagspause wieder zu übernehmen hatte“. Der Versicherungsschutz gelte für die Befriedigung „lebenswichtiger persönlicher“ und „lebensnotwendiger“ Bedürfnisse nur, wenn sie in der Nähe der Arbeitsstätte erfolgt; „die Befriedigung der Bedürfnisse in der Wohnung des Versicherten ist nicht geschützt“, so der OGH.

Wenn der Versicherte den „Weg zwecks Befriedigung lebensnotwendiger Bedürfnisse“ nicht zu seiner Wohnung, sondern zu einem anderen Ort unternehme, „so ist er auf dem Hin- und auf dem Rückweg nur dann geschützt, wenn der Ort in der Nähe der Arbeitsstätte liegt“.

Absicherung gesetzlicher Lücken

Welcher Ort noch „in der Nähe“ liegt, hängt vom Einzelfall ab, so der OGH. Die Einschränkung „in der Nähe“ erlaube aber den Schluss, „dass im Allgemeinen der Ort von der Arbeitsstätte zu Fuß in einer Zeit erreichbar sein muss, sodass während der Arbeitspause Hin- und Rückweg zurückgelegt und das Essen eingenommen werden können“. Werde ein weit entfernter Ort aufgesucht und sei dies nicht mehr wesentlich durch die Notwendigkeit der Essenseinnahme geprägt, so seien weder der Weg noch die Verrichtung geschützt.

Wie der Fall zeigt, gibt es diverse Bereiche, die nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Die private Versicherungswirtschaft bietet jedoch zahlreiche Lösungen an, um einen fehlenden oder auch unzureichenden gesetzlichen Schutz abzudecken. Beispielsweise greift eine private Unfallversicherung im Gegensatz zum gesetzlichen Unfallschutz weltweit und rund um die Uhr. Außerdem kann die Höhe der Kapitalsumme oder/und Rentenleistung im Invaliditätsfall individuell passend gewählt werden.

Eine Einkommensabsicherung für den Fall, dass nach einem Unfall oder einer Krankheit dauerhaft kein Beruf mehr ausgeübt werden kann, ist mit einer privaten Berufsunfähigkeits-Versicherung möglich.


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