Wie zukunftsfest die europäischen Sozialstaaten sind
(kunid) Österreich altert – aber in einigen anderen EU-Ländern ist der Anteil der ab 65-Jährigen noch größer, wie aus einer neuen Studie hervorgeht. Das Verhältnis der Zahl der über 65-Jährigen zur Zahl der Erwerbstätigen wird sich demnach weiter verschlechtern – wobei Österreich im „guten Mittelfeld“ liegt. Doch auch hierzulande muss mit einem steigenden Pensionsalter gerechnet werden
Alle Mitgliedstaaten der Europäischen Union (EU) stehen vor wachsenden demografischen Herausforderungen. Dabei wirken nach Einschätzung des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI) vor allem drei Faktoren: Die Lebenserwartung steigt jedes Jahr etwas an und die Geburtenrate reicht zur Stabilisierung der Bevölkerungszahl nicht aus. Und zu einem allerdings zeitlich überschaubaren Zeitraum drängen die Baby-Boomer der 1960er-Jahre ins Rentenalter.
Der Faktor des anschließenden Pillenknicks falle in den untersuchten 27 EU-Mitgliedstaaten (alle EU-Länder ohne Kroatien) allerdings unterschiedlich stark ins Gewicht, betonte Christina Benita Wilke vom HWWI. Insgesamt lebten heute bereits rund 88 Millionen Menschen im Alter von über 65 Jahren in den Mitgliedstaaten, so die Studie „Zur Zukunftsfestigkeit der europäischen Sozialstaaten“. Die Untersuchung hat das HWWI im Auftrag des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (Dia) erstellt.
Jeder sechste EU-Bürger ist mindestens 65 Jahre alt
Der Anteil der ab 65-Jährigen an der Gesamtbevölkerung beträgt in den untersuchten 27 EU-Ländern demnach bereits 18,2 Prozent. In Italien ist die Alterung am weitesten fortgeschritten: 21,2 Prozent der Bevölkerung sind älter als 65 Jahre. Unmittelbar dahinter folgt Deutschland mit 20,7 Prozent. Österreich liegt mit einem Wert von 18,1 Prozent nahe am EU-Durchschnitt (18,2 Prozent). Eine vergleichsweise junge Bevölkerung weist Irland auf, wo der Altenanteil bei lediglich 12,2 Prozent liegt.
Für die Stabilität der Sozialsysteme spielt der sogenannte Altenquotient eine wesentliche Rolle. Er beschreibt das Verhältnis der älteren Generation zur Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter (15 bis 64 Jahre), die den Wohlstand erwirtschaftet und den Großteil der Steuern aufbringt. Auch hier weisen Italien (32,7) und Deutschland (31,3) die höchsten Werte auf. Österreich liegt mit einem Wert von 26,8 unter dem EU-Durchschnitt von 27,5.
Hochgerechnet auf das Jahr 2060 ergeben sich aber gravierende Entwicklungs-Unterschiede. Vor allem in den zur EU zählenden osteuropäischen Staaten verschlechtert sich der Altenquotient deutlich.
Bis 2060 steigt Seniorenanteil drastisch
Kamen in 2013 in der EU-27 rund 27,5 ältere Menschen ab 65 Jahren auf 100 Personen im erwerbsfähigen Alter, werden es im Jahr 2060 bereits 52,6 Prozent sein.
Dabei steigen die Werte für die Slowakei, Polen, Rumänien, Litauen und Bulgarien zum Teil deutlich über 60 Prozent. Deutschland bleibt mit 59,9 knapp unter dieser Marke, während Österreich mit 50,7 deutlich besser wegkommt.
Die HWWI-Studie stützt sich in der Analyse auf Berechnungen des Europäischen Statistikamtes Eurostat. Danach dürfte die Bevölkerung der EU-27 aufgrund von Wanderungsgewinnen mit Drittstaaten bis zum Jahr 2050 um vier Prozent wachsen. Bliebe dies aus, würde die Bevölkerung um 50 Millionen auf 450 Millionen schrumpfen.
Späteres Renteneintrittsalter
Betrachtet man, wie sich die Altersstrukturen in den einzelnen EU-Ländern auf die Sozialausgaben für ältere Menschen auswirken, dann schneidet Irland mit sechs Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) am besten ab. Italien steht hier mit 16,5 Prozent an der Spitze. Österreich belegt Rang vier mit 14,3 Prozent.
Dabei spielt das Pensionsantrittsalter eine wesentliche Rolle. In den meisten Ländern gilt für Männer zwar ein Pensionsantrittsalter von 65 Jahren. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Den höchsten Wert erreicht noch Irland mit einem Pensionsbezug ab 64,1 Jahre. Die Pension wird in der Masse vorzeitig in Anspruch genommen. In der Studie sieht man in einem späteren Pensionsantrittsalter eine wesentliche Stellschraube, um die jüngere Generation nicht übermäßig zu belasten.
Wer seinen bisherigen Lebensstandard im Alter weiter halten möchte und dazu nicht unbedingt auch noch im Pensionsalter erwerbstätig sein will, sollte frühzeitig eine sinnvolle Altersvorsorge aufbauen. Auf Wunsch kann ein Versicherungsfachmann individuell berechnen, welches Einkommen insgesamt im Pensionsalter zur Verfügung stehen wird. Der Fachmann kann auch unter Berücksichtigung der Inflation analysieren, ob damit der bisherige Lebensstandard gesichert ist oder noch zusätzliche Rücklagen zum Beispiel in Form einer staatlich geförderten Zukunftsvorsorge notwendig sind.