Wie gut die Sozialversicherungen Selbstständige schützen
(kunid) Österreichs Selbstständige sind im Vergleich sehr gut abgesichert. Das besagt zumindest eine Studie, die 18 europäische Sozial(versicherungs)systeme untersucht und die gesetzlichen Rahmenbedingungen bewertet hat. Österreich führt die Tabelle mit 88 von 100 möglichen Punkten vor Spanien und Finnland an. Für einige Experten ist die im Auftrag von der Wirtschaftskammer Österreich und SVA erstellte Studie allerdings „Schönfärberei“.
Wenn es um die Absicherung Selbstständiger im Rahmen der Sozialversicherung geht, ist Österreich gut aufgestellt. Das legt zumindest die Studie „Soziale Absicherung von Selbstständigen im internationalen Vergleich“ nahe, die Prof. Stefan Traub vom Zentrum für Sozialpolitik an der Universität Bremen am Donnerstag in Wien vorgestellt hat.
Die qualitative Studie – erstellt im Auftrag der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ) und der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft (SVA) – hat die Sozialversicherungs-Systeme von 18 europäischen Ländern an Hand der jeweiligen Gesetzeslage untersucht. Betrachtet wurden hierbei die Absicherungssysteme für Personen, die eine gewerbliche oder handwerkliche Tätigkeit ausüben. Die Studie kann kostenfrei als PDF-Dokument beim WKÖ heruntergeladen werden.
Bewertung nach Ampelsystem
Die Bewertungsmethode folgte einem Ampelsystem: Sofern für eine der zehn „Dimensionen“, also Vorsorgebereiche, eine Pflichtversicherung vorgesehen ist, gab es „Grün“ und vier Punkte, bei einer freiwilligen Absicherung „Gelb“ (zwei Punkte) und sofern keine Versicherung vorgesehen ist, „Rot“ (null Punkte).
Für steuerfinanzierte Leistungen – wie in Österreich etwa das staatliche Pflegegeld für Pflegebedürftige – gab es „Grau“ (ein Punkt). Familienleistungen und Leistungen zur Existenzsicherung (Blau) wurden mit bis zu zehn Punkten bewertet. Die unterschiedliche „Größe“ der Risiken wurde in der Untersuchung mit Gewichtungsfaktoren versehen.
Wie die Studie anführt, wurde für den Ländervergleich aber keine quantitative Bewertung des Leistungs- und Anspruchsniveaus vorgenommen. Das Farbschema gebe lediglich Auskunft über den Zugang zu einer Absicherung in jedem Land. Was Traub betont: Auch wenn man die Gewichtung einzelner Faktoren anders anlegen würde, würde das wenig an der Länderbewertung ändern.
Österreich kommt auf 88 von 100 Punkten
Das Resultat: Fünf Länder bilden den Studienergebnissen zufolge das Spitzenfeld der Systeme „mit überdurchschnittlich guter Absicherung der Selbstständigen“. Angeführt werden sie von Österreich, das 88 von 100 möglichen Punkten erreicht. Dann geht es jeweils im Zwei-Punkte-Abstand weiter mit Spanien, Finnland, Schweden und Estland.
„Grün“ gibt es für Österreich in sechs Bereichen: Alter, Invalidität/Erwerbsminderung, Krankheit, Unfall, Mutter- und Vaterschaft sowie Tod/Hinterbliebenen-Versicherung. Auf Gelb steht die österreichische Ampel im Bereich Arbeitslosen-Versicherung. Positiv vermerkt die Studie an der Arbeitslosen-Versicherung, dass sie die Mitnahme von Ansprüchen aus unselbstständiger Tätigkeit ermögliche. Sie sei aber eben nur eine freiwillige Versicherung.
Das österreichische Absicherungsniveau sei auch in den Bereichen Pflege und Arbeitslosigkeit „überdurchschnittlich hoch“, so die Studie. Zwar sei das Pflegerisiko nur im Rahmen einer Fürsorgeleistung abgesichert, „aber die Höhe des Pflegegeldes entspricht Sozialversicherungs-Niveau.“
Vier Länder in der Schlussgruppe
„Deutlich unterdurchschnittlich schneiden insbesondere die liberal-angelsächsischen Staaten (Irland, Großbritannien), aber auch Dänemark und die Niederlande ab“, hält die Studie fest. In diesem hinteren Drittel des Feldes bewegt sich die Punktezahl von 58 (Dänemark) bis 37 (Niederlande).
„Hier orientieren sich Leistungen, soweit überhaupt vorhanden, vorrangig am Prinzip der Armutsvermeidung“, heißt es in der Studie. Sozialleistungen seien weitgehend von der Erwerbstätigkeit entkoppelt. Typisch seien einkommensunabhängige pauschalierte Leistungen wie die dänische „Volksrente“. In der Gruppe der Länder mit „konservativ-kontinentaleuropäischer“ Absicherungskultur, zu denen auch Österreich gehört, spiele hingegen der Gedanke der Einkommenserhaltung („Konservierung“) die tragende Rolle.
Dass Deutschland nur im Mittelfeld auf Platz neun rangiert, liegt laut Traub daran, dass das System „sehr restriktiv“ sei, was Selbstständige angeht. Vieles werde nur auf Basis einer freiwilligen Absicherung beziehungsweise mit Leistungs-Einschränkungen angeboten. Eine Leistung wie das Krankengeld nach langer Krankheit gebe es nicht. Würde man jedoch die soziale Absicherung Unselbstständiger bewerten, wäre das Ergebnis ein anderes, so Traub.
„Handlungsbedarf“ bei Pflege und Arbeitslosen-Versicherung
Aus internationaler Sicht ortet die Studie in Bezug auf zwei Risiken Handlungsbedarf: Arbeitslosigkeit und Pflege. Keines der 18 Länder habe eine Pflichtversicherung für Arbeitslosigkeit, nur sieben böten eine freiwillige Versicherung an.
Pflegebedürftigkeit wiederum sei ein Risiko, dessen Ausmaß erst mit Fortschreiten des demografischen Wandels sichtbarer werde.
„Hier haben bisher nur drei Länder, zuvorderst Deutschland, die Schweiz und die Niederlande, obligatorische Versicherungen eingeführt“, so die Studienautoren.
Absicherungslücken
Trotz des guten Abschneidens der Absicherung von Selbstständigen durch die sozialen Sicherungssysteme gibt es im Einzelnen immer wieder Absicherungslücken. Darunter fallen zum Beispiel Selbstbehalte beim Arztbesuch, Einkommenseinbußen im Pensionsalter oder ein fehlender gesetzlicher Unfallschutz bei Unfällen in der Freizeit.
Um beispielsweise im Alter, nach einem Unfall, im Pflegefall oder während einer Krankheit finanziell abgesichert zu sein, ist häufig eine zusätzliche private Vorsorge unabdingbar. Eine Analyse von einem Fachmann aus der privaten Versicherungswirtschaft zeigt mögliche Absicherungslücken auf. Der Experte ermittelt auf Wunsch zudem individuell passende Vorsorgelösungen.