Was das neue EU-Pickerl für Reifen den Konsumenten nützt

Was das neue EU-Pickerl für Reifen den Konsumenten nützt

(kunid) Alle Reifen, die ab 1. Juli 2012 produziert wurden oder werden, müssen ab 1. November 2012 ein neues EU-Label tragen. Dieses Label gibt Auskunft über den Rollwiderstand, das Nassbremsverhalten und das Abrollgeräusch des jeweiligen Reifens. Experten bedauern jedoch, dass das Label keine Entscheidungshilfe für den Winterreifenkauf ist und auch sonst bei der Wahl des richtigen Reifens nur wenig Unterstützung bietet.

Europaweit gilt ab dem 1. November 2012 entsprechend der Verordnung der Europäischen Kommission 1222/2009 eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für Reifen, deren Herstelldatum nach dem 30. Juni 2012 liegt.

Das neue EU-Label für Reifen von Pkws sowie leichten und schweren Nutzfahrzeugen gibt Auskunft über den Rollwiderstand, die Nässehaftung und das Abrollgeräusch der Pneus. In Anlehnung an das bereits bekannte EU-Label für Elektrogroßgeräte wie Waschmaschinen enthält das neue Reifenlabel ebenfalls eine Einteilung in unterschiedliche Klassen wie A bis G und mit farbiger Kennzeichnung von Grün (gut) bis Rot (schlecht).

Pneus, die kein EU-Label tragen müssen

Das neue EU-Reifenlabel muss vom jeweiligen Reifenhersteller als Aufkleber oder gedruckte Kennzeichnung vorliegen. Die Labelwerte müssen beispielsweise im Rahmen eines Produktflyers oder als technische Produktinformationen für den Kunden bereitstehen.

Die Reifenhändler müssen die von den Reifenherstellern bereitgestellten Labelinformationen beim Produktverkauf sichtbar darstellen und dem Kunden beim Kauf zusammen mit der Rechnung übergeben. Auch Fahrzeughändler müssen für Reifen, die zur Erstausrüstung eines Fahrzeuges gehören, die entsprechenden Labelinformationen an den Kunden weitergeben.

Von der Kennzeichnung sind unter anderem folgende Reifen ausgenommen: runderneuerte Reifen, Geländepneus für den gewerblichen Einsatz, Reifen, welche nur für Fahrzeuge, die vor dem 1. Oktober 1990 zugelassen wurden, produziert werden, sowie Notreifen des Typs T und Pneus mit einer zulässigen Geschwindigkeit von weniger als 80 km/h. Reifen für leichte und schwere Nutzfahrzeuge müssen noch keine Kennzeichnung zur Nasshaftung auf dem Label zeigen, da hierfür noch keine Prüfmethode festgelegt wurde.

Bewertete Kriterien für die neue Reifenkennzeichnung

Beim Vorbeifahr- oder Abrollgeräusch wird die Lautstärke der Reifen eines vorbeifahrenden Fahrzeuges in Dezibel angegeben. Je weniger Lärm ein Reifen beim Vorbeifahren verursacht, desto weniger der drei auf das Label aufgezeichneten Schallwellen sind schwarz gefüllt. Diese Angabe sagt jedoch nichts über die Geräuschentwicklung im Inneren eines Wagens aus. Die Geräuschbelastung im Fahrzeuginneren hängt von weiteren Kriterien ab, die zum Teil gar nichts mit dem Reifen zu tun haben, wie die Fahrzeugexperten betonen.

Im EU-Reifenlabel für die Nasshaftung wird der absolute Bremsweg auf nasser Straße bei einer Anfangsgeschwindigkeit von 80 km/h verglichen. Die Einteilung erfolgt in den Klassen A bis G, wobei die Klassen D und G nicht belegt sind. Der Bremsweg kann bei einem Reifen der Klasse F um 30 Prozent länger sein als bei einem Reifen der Klasse A.

Beim Rollwiderstand, der einen direkten Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch eines Autos hat, wird die Reifenqualität in den Ampelfarben Grün (Klasse A) bis Rot (Klasse G) angegeben. Die Kraftstoffersparnis bei einem einstufigen Klassenunterschied – also beispielsweise bei einem Reifen mit der Klasse B im Vergleich zur Klasse C – beträgt nach Angaben von Fahrzeugexperten etwa 0,1 Liter pro 100 Kilometer. Mehr Detailinformationen zum neuen EU-Label gibt es auf der Internetseite des Arboe Auto-, Motor- und Radfahrerbunds Österreichs.

Was einen guten Reifen ausmacht

Experten des Deutschen Verkehrssicherheits-Rates e.V. (DVR) erklären an einem Beispiel, warum das EU-Label dem Konsumenten nur bedingt als Auswahlhilfe für einen sicheren Reifen dient: Auf rund 1.000 Kilometern spart man mit einem Reifen der Klasse C in der Kategorie Rollwiderstand etwa einen Liter Sprit im Vergleich zu einem Reifen der nächst schlechteren Klasse. Beim Bremsweg auf nasser Fahrbahn verlängert sich dieser jedoch von Klasse zu Klasse um jeweils sechs Meter.

Wählt man hier eine schlechtere Klasse, beispielsweise F statt E, kann dies entscheidend dafür sein, ob man vor einem Hindernis zum Stehen kommt oder auffährt. Wie die Experten der Arboe betonen, weist ein Reifen der schlechtesten Klasse bei einer Ausgangsgeschwindigkeit von 80 km/h bis das Fahrzeug zum Stehen kommt einen um mehr als 18 Meter längeren Bremsweg auf als ein Reifen der besten Klasse. Es ist daher zu empfehlen, immer den Reifen mit einer besseren Nasshaftung vorzuziehen – auch wenn die Energieeffizienzklasse eventuell schlechter ist als beim Konkurrenzprodukt.

Übrigens: Die Nasshaftung sagt nichts über die Aquaplaning-Eigenschaften eines Reifens aus. Die Laufflächenmischung ist für das Bremsverhalten eines Reifens auf nasser Fahrbahn ausschlaggebend. Für das Aquaplaningverhalten bei Regen sind es jedoch die Profiltiefe und die Profilgestaltung, denn nur diese beeinflussen die Fähigkeit eines Reifens, Wasser von der Fahrbahn aufzunehmen, so die DVR-Fahrzeugexperten.

Die Suche nach einem sicheren Winterreifen

Auch die wichtigen Eigenschaften, die im Winter gefragt sind, wie eine gute Bodenhaftung auf Eis und Schnee werden durch das neue EU-Label nicht dargestellt. Es kann also durchaus sein, dass ein Reifen, der in den Kategorien Nasshaftung und Rollwiderstand nicht mit A, sondern mit C bewertet wird, dennoch ein sehr guter Winterreifen ist.

Des Weiteren werden beim EU-Label auch zahlreiche andere Kriterien, die ein sicherer Reifen haben sollte, wie eine gute Seitenführung, nicht berücksichtigt. Wer einen guten Winterreifen sucht, sollte sich nach Angaben der Arbeo-Experten daher an Reifentests von Autofahrerverbänden, Fachzeitschriften oder Prüforganisationen orientieren und nicht nur die Bewertung des EU-Labels berücksichtigen.

Übrigens: Das Reifenlabel hat auf den Kfz-Versicherungsschutz keine Auswirkungen. Wichtig ist jedoch, dass die Bereifung den Witterungsverhältnissen angepasst ist und beispielsweise die Winterreifenpflicht, die vom 1. November bis 15. April besteht, eingehalten wird.


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